28.02.2009

Was ist eigentlich eine Oberarmfraktur?

Oberarmfraktur oder fachlich
"Subkapitale Humerus-Fraktur" mit Fraktur des Oberarmkopfes in 4 Teile


1. Der Anfang

Am besagten Freitag war zunächst alles so wie gewohnt. Der erste Blick aus dem Fenster zeigte das typische Winterwetter dieser Saison: kalt, weiß und dazu noch eine Prise Nebel. Im Kopf kreisen die Gedanken schon über die heutigen wichtigen anstehenden Arbeiten im Büro, die Kinder nerven wie gewohnt mit ihrem morgendlichen Rumgezanke. Ein typischer Morgen eben... Der Schritt vor die Haustür lässt mich allerdings nur kurz stutzen. Soll ich wirklich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren? Die Bedingungen sind nicht gerade optimal, aber der Gedanke, dass ich dieses schon seit über 30 Jahren bei diesem Wetter mit Erfolg bewältige, ermutigt mich. Die Straße ist leicht Schnee bedeckt, aber einigermaßen griffig. Ich fasse den Entschluss, heute eine andere Route zu wählen, einen Weg, der hoffentlich schon vom Winterdienst abgefahren wurde.

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2. Der Unfall   

Wie schon erwähnt war ich mit meinen Gedanken dann schon viel weiter im Arbeitstag, so dass ich dann doch die gewohnte Wegstrecke gefahren bin. Dieses stellte sich dann später als Fehler heraus obwohl … vielleicht war es auch gut so. Wer weiß, was sonst noch alles passiert wäre.

So gedankenversunken ich dann weiter radelte, in Höhe des Holzhäuser Reitvereins musste ich daran denken, dass ich als Schulkind diesen Weg auch schon regelmäßig langgefahren bin. Ich bin damals auch einige Male bei Glatteis gestürzt, was aber immer gut ausgegangen war. Nun waren aber auch diese Gedanken wieder schnell verschwunden, so dass ich ohne Vorwarnung in mein Unglück stürzte. 

7:15 Uhr – kurz vor der Kurve, die in der nächste Straße mündete, passierte es dann: Nicht mal eine Sekunde dauerte es, bis ich merkte, dass ich wegrutsche und hart auf die vereiste Straße krache. Zum Glück war kein fahrendes oder stehendes Auto in meiner Nähe, so dass nicht noch mehr passieren konnte. Aber ich hatte starke Schmerzen am linken Arm und Schulter. Der Versuch, auf das Fahrrad zu steigen, scheiterte bereits im Ansatz. Ich entschloss mich, die ca. 1 km bis nach Hause das Rad zu schieben. Durch den Schock war ich wie in Trance, ich habe mir in diesem Augenblick keine Gedanken über die Folgen des soeben passierten Unfalls gemacht. Sicherlich hatte ich Glück, dass mich kein Auto überfahren hat. Auch dass ich nicht auf den Kopf gestürzt bin, war zudem Glück im Unglück. Die Hand war auch ohne Blessuren, ich konnte schon ahnen, dass meine Schulter etwas mitbekommen hatte.

3. Die Diagnose 

Zu Hause angekommen stellte ich mein Fahrrad ab und klingelte an unserer Haustür. Elke schaute mich etwas verdutzt an, ich konnte ihr irgendwie vermitteln, dass ich eben einen Unfall mit Sturzfolge hatte. Ich setze mich ins Wohnzimmer und fühlte, wie jetzt langsam, aber immer heftig werdende Schmerzen einsetzen. Elke sagte mir, dass sie zunächst die Kinder zum Kindergarten bzw. in die Schule bringen werde. Danach würde sie mich sofort zur Notaufnahme ins hiesige Krankenhaus bringen. Während meiner Wartezeit telefonierte ich mit meinem Vorgesetzten und berichtete ihm was mir kurz vorher auf der vereisten Fahrbahn wiederfahren ist. Da es auf dem Weg zur Arbeit passierte, handelt es sich um einen Arbeitsunfall, was sich später nicht unbedingt als nachteilig herausstellen sollte. 

Innerhalb von wenigen Minuten wurde ich dann auch in der Notaufnahme behandelt. Prognosen wurden nicht gestellt, aber das Ausziehen meiner Anziehsachen verursachte Schmerzen bis es mir vor meinen Augen schwarz wurde. Im Rollstuhl ging es dann zum Röntgen, dort konnte ich mich nicht wie gewünscht verrenken, aber es konnten zwei aussagekräftige Fotos von meinem Oberarm gemacht werden. Nun stellte sich heraus, dass mein Oberarm gebrochen war. Im Fachchinesisch heißt das “Subkapitale Humerus-Fraktur”. Ich bekam eine Bandage (“Gilchrist-Verband”) um meinen Arm und Bauch geklettet. Diese soll nun für mindestens 4 Wochen meinen linken Arm fixieren, sprich ruhig stellen. Bei normalen Heilungsverlauf werden ich wohl 6-8 Wochen außer Gefecht sein.

4. Der erste Arztbesuch

Am darauffolgenden Montag lerne ich meinen Durchgangsarzt kennen. Er erläutert mir sehr genau mein Röntgenbild und zeigt dabei auf die Bruchstelle. In seinen Augen ist ein solcher Bruch nicht ganz gewöhnlich, da der Oberarmknochen eigentlich ziemlich stabil ist. Er vermutet, dass auch der Oberarmkopf in Mitleidenschaft gezogen wurde, da die Fraktur ziemlich weit oben zu erkennen ist.   Nun muss entschieden werden, ob eine OP notwendig sein wird. Mein zuständiger Unfallchirug operiert nach eigenen Aussagen sehr gerne, möchte aber seine Diagnose noch durch eine Computertomographie (auch “CT” genannt) untermauern. Ich erhalte einen Termin für den kommenden Mittwoch, zum ersten Mal in meinem Leben befinde ich mich in der berüchtigten “Krankenhausmühle” …

5. Friederikenstift I

Mittwoch, 21.01.2009
Heute ist der Termin für die Computertomographie. 30 Minuten warte ich bis ich 2 Minuten in die “Röhre” darf. Mit meinem Vater warte ich dann 2 Stunden auf die Mitteilung des Ergebnis der Untersuchung. Der Röntgenarzt teilt mir dann in 15 Sekunden mit, dass mein Oberarmkopf erkennbar in mehrere Teile zersplittert ist. Das weitere Vorgehen würden dann aber die Chirurgen festlegen.   Am Nachmittag des selben Tages habe ich dann gleich einen Termin bei meinem Unfallchirurgen. Er fühlt sich nun in seiner Diagnose bestätigt, eine OP ist unausweichlich. Seine Argumentationen leuchten mir ein, ich füge mich mit meinem Schicksal ab. Da es sich bekanntermaßen um einen Arbeitsunfall bei mir handelt, darf allerdings im Krankenhaus in Bad Pyrmont nicht operiert werden. Als Ausweichmöglichkeiten gibt es spezielle Abteilungen u.a. in Hameln, Höxter oder im Friederikenstift Hannover. Im letzteren arbeiten wohl die Fachleute mit besonderer Begabung, so dass ich mich – trotz der Entfernung – für Hannover entscheide. Sogleich wird ein OP-Termin dort vereinbart, ich soll nächsten Tag nüchtern um 8 Uhr in der Notaufnahme erscheinen.

Donnerstag, 22.01.2009
Wir haben einen Parkplatz und das gesuchte Krankenhaus gefunden. Pünktlich um 8 Uhr melden wir uns dann bei der Notaufnahme an. Leider bin ich da nicht bekannt, irgendwie hat die Kommunikation nicht geklappt. Ein erster Facharzt hört sich meine Geschichte unter Betrachtung der mitgebrachten Röntgenaufnahmen an, zur endgültigen Aufnahme soll ich noch 20-30 Minuten warten. Nach ca. 1 1/2 Stunden Wartezeit werde ich dann tatsächlich wieder aufgerufen. Das Ergebnis ist dann aber erstaunlich: Die Schulter- und Armexperten sind sich einig, eine OP ist nicht notwendig. Die Begründung ist relativ simpel, eine optimierte Stellung ist trotz einer Operation nicht gegeben. Im Gegenteil, die Risiken stünden im keinen Verhältnis. Leicht irritiert, aber dennoch erleichtert, machen wir uns dann wieder auf dem Heimweg. Am darauffolgendem Tag erfährt auch der Durchgangsarzt in Bad Pyrmont von dem Ergebnis. Auch er scheint etwas verwirrt über das Ergebnis der Experten in Hannover zu sein, hat aber wohl momentan keine Alternative parat, außer konservativ, sprich ohne OP mit mir fortzufahren.

6. Friederikenstift II

Montag, 26.01.2009
Heute wird wird wieder geröntgt und kontrolliert. Der Bruch scheint unverändert zu sein, leider fehlen die Vergleichsbilder vom Unfalltag. Mein persönlicher Durchgangsarzt (D-Arzt) scheint immer noch der Meinung zu sein, dass eine OP sinnvoll wäre, aber die”höhere Instanz” in Hannover hatte aber nun mal eine andere Diagnose. Am nächsten Tag habe ich zum ersten Mal Krankengymnastik, leichte Pendelübungen mit dem verunfallten Arm sind erlaubt.  

Dienstag, 27.01.2009
Am Nachmittag klingelt das Telefon, am anderen Ende mein D-Arzt. Er hat nun die Röntgenbilder vom Unfalltag mit den Bildern vom 26.01.2009 verglichen. Nach seiner Meinung hat nun doch eine eindeutig sichtbare Verschiebung der Fraktur stattgefunden. Die Folge: Am nächsten Tag sofort nach Hannover ins Friederikenstift und sich auf eine OP einstellen. Den Weg kennen wir ja nun mittlerweile schon …

Am Mittwoch erreichen wir in der Mittagszeit das Krankenhaus. Diesmal bin ich bekannt, muss aber trotzdem nochmal auf eine weitere Diagnose warten. Auch diesmal erkennen die Experten dort nicht unbedingt den Sinn einer potentiellen Operation. Um aber ganz sicher zu gehen, werden aber dort standardisierte Röntgenbilder von meinem Oberarm erstellt. Ich werde erst einmal aufgenommen, nach spätestens 5-6 Tagen wird mittels weiterer Röntgenaufnahmen kontrolliert, ob sich tatsächlich eine Verschiebung eingestellt haben wird. Einmal täglich wird die Belastbarkeit der Frakturen nun noch zusätzlich durch eine etwas verstärkte Krankengymnastik getestet.

Die Zeit im Krankenhaus ist zwar meist etwas öde, allerdings lerne ich schnell nette Leute kennen, auch mit den Krankenschwestern verstehe ich mich ganz gut. Während der täglichen Visite zwischen 7 und 8 Uhr morgens hat man gefühlte 15 Sekunde Redezeit. Wer hier schläft, nicht schnell genug ist oder einfach Fragen vergisst, muss sich bis nächsten Tag gedulden. Der Tagesablauf ist relativ einfach und monoton:  6:00 Uhr – Wecken 7:00 bis 8:00 – Visite 8:00 Uhr – Frühstück 12:30 Uhr – Mittagessen 14:00 Uhr – Tee 17:30 Uhr – Abendessen.

Die krankenhauseigene Küche bereitet das Essen sehr schmackhaft und reichhaltig zu, da gibt es wirklich nichts zu meckern. Die Bestellungen der einzelnen Mahlzeiten werden sehr unterhaltsam und modern mittels PDA aufgenommen. Ein echtes Highlight im öden Krankenhaus-Alltag. Die nächsten Tage verlaufen relativ unspektakulär. Draußen sieht es immer noch nach Winter aus, ich sehne mich sehr nach Wärme und Frühling, aber das wird wohl noch dauern. Am Samstag gewinnen die “Roten” gegen Schalke 04, das Stadion sehe ich durch mein Fenster. Von Samstag Vormittag bis Sonntag Nacht ca. 4 Uhr liege ich alleine im Drei-Bett-Zimmer. Ab diesem Zeitpunkt muss ich dann die Erfahrung machen, wie lange ein muslimischer Zeitgenosse schlafen kann und wie er es mit einem sehr lauten und andauernden Schnarchen begleitet. Wenn er nicht schläft, dann telefoniert er laut mit seinem Handy mit seiner Familie. Diese scheint ziemlich groß zu sein, denn das Telefon wird erst gegen Mitternacht nach Aufforderung der Nachtschwester und meiner Person dann endlich ausgeschaltet.

Nun sind 5 Tage vergangen und am Montag, den 2. Februar werden die nächsten Vergleichsbilder erstellt. Am Nachmittag erfahre ich dann das Ergebnis vom Stationsarzt: alles in Ordnung, KEINE Verschiebung sichtbar – ich darf nach Hause. Nach Anfrage durch den Stationsarzt darf ich das Krankenhaus noch am selben Tag verlassen. Ein Anruf bei Elke zu Hause und prompt ist sie ca. 18:30 Uhr da und  nimmt mich zum Glück auch mit.

7. Wieder zu Hause

Endlich wieder daheim! Die Familie hat mich und ich sie wieder. Folgende Termine stehen in der Woche an:  – Montags, Mittwochs und Freitags Krankengymnastik – Mittwochs Kontrollbesuch beim D-Arzt. Ich habe das Gefühl, dass es jeden Tag etwas besser geht, wenn auch nur relativ langsam. Aber alle Beteiligten sind soweit zufrieden. Meine Physiotherapeutin gibt ihr bestes, weil mein Schulterblatt nicht so will, wie sie und ich es gerne hätten. Die Muskeln wehren sich stark gegen die gewollten Bewegungen. Dieses scheint aber zunächst ganz normal, denn der Arm war jetzt schon eine ganze Weile ruhig gestellt.

8. Ein Meilenstein – die Bandage kommt ab

Mittwoch, 18. Februar
Nach Rücksprache mit meinem Durchgangsarzt darf ich endlich die Fixierung meines Arms wieder aufheben. Es ist zunächst nicht so einfach im Gehirn umzuschalten. Doch ich versuche nun, viele Bewegungen des Alltags auch mit Hilfe des linken Arms durchzuführen. Auch hier kann ich jeden Tag eine minimale Steigerung feststellen. So langsam fühle ich mich wieder als Mensch und Familienmitglied. Leider bin ich immer noch Hilfe angewiesen, da ich noch kein Auto selbstständig lenken darf. Die ersten Tage ohne die Armfixierung sind noch gewöhnungsbedürftig aber langsam gehört der Arm wieder mir. Trotzdem heißt es immer noch Geduld zu haben, es kann noch weitere 6 Wochen dauern bis der Arm wieder komplett geheilt und belastbar sein wird.

9. Erweiterte ambulante Physiotherapie (“EAP”)

Um wieder mehr Bewegung und Kraft in den verunfallten Arm zu bekommen, schlägt beim nächsten Kontrollbesuch mein Durchgangsarzt vor, eine sog. “Erweiterte ambulante Physiotherapie”, kurz “EAP” in den nächsten 2 Wochen durchzuführen. Diese kann ich hier vor Ort in einer Klinik an 5 Tagen der Woche durchführen. Dabei werden neben der bereits gewohnten Physiotherapie, Aquajogging, “Muckibude”, Moorbäder, Massagen usw. durchgeführt. Ein sogenanntes “Rund-um-Sorglospaket” also. Diese Therapie wird komplett von der Berufsgenossenschaft bezahlt. Endlich weiß ich, dass es auch ein Vorteil sein kann, in einem verschlafenen Kurort zu wohnen, die benötigten Einrichtungen sind im wahrsten Sinne des Wortes “vor der Haustür”. Ich fange gleich am 27. Februar damit an. Nach 4 Stunden Therapie bin ich zwar ziemlich kaputt, habe aber auch das Gefühl das Richtige zu tun. Ich hoffe, dass ich nach den 14 Tagen wieder so gut wie wiederhergestellt bin.

Die erste Woche ist erfolgreich geschafft. Ich bin sehr zufrieden mit den Therapien und merke auch täglich kleine Fortschritte. Auch meine Kondition scheint sich mitlerweile zu steigern. Auch die zweite Woche ist sehr anstrengend, aber es geht immer weiter vorwärts. Nach Abschluß dieser Therapie bekomme ich zunächst noch 10 x MTT und 20 x Krankengymnastik. Aber auch nach Ablauf der bezahlten Therapien werde ich voraussichtlich weiterhin regelmäßig etwas mehr für meinen Körper tun. Ich fühle mich jedenfalls sehr wohl zurzeit.

10. Rückkehr ins Arbeitsleben

Ab dem 16. März steige ich wieder voll ins Arbeitsleben ein. Da ich noch weiterhin Steigerungen für Kraft und Bewegung benötige, flitze ich nun täglich von Termin zu Termin … 

11. Ende?

Mitte Mai im Jahr 2009 ist nun alles vorbei. Meine Krankengymnastin kann nach ca. 50 Behandlungen nichts mehr für mich tun. Wenn ich nicht darauf achte, merke ich auch keine Einschränkungen. Glück gehabt!! 

12. Gutachten bzw. Nachtrag

Ach, da war doch noch was … Für meine private Unfallversicherung ist noch ein Gutachten erforderlich. Seit Januar 2010 versuchen wir nun einen Termin dafür zu bekommen. Anfang Mai(!) ist es dann endlich soweit – ich werde von einem speziell dafür ausgerüsteten Arzt im hiesigen Krankenhaus untersucht. Insgesamt 7 Röntgenbilder meines Oberarms sind nun notwendig, aber selbst danach scheint man nicht genau erkennen zu können, wie die Knochen nun heute aussehen. Kein gutes Gefühl nach der dauerhaften und zeitmässig sehr langen Bestrahlung. Aber ich scheine keine andere Wahl zu haben .


WORDPRESS: Was ist eine Oberarmfraktur ODER Wie lernt man viel Geduld zu haben?