Ein Neuling im Borussia-Park fragte mich vor Jahren, warum rufen die einheimischen Fans denn immer "VfL!! ... VfL!!! ... VfL!!"? Das ist doch Borussia Mönchengladbach und nicht der VfL!? Ok, ich konnte es schnell aufklären. Mittlerweile bin ich nun seit ca. 40 Jahren "meiner" Borussia treu. Die "Fohlen" bekamen ihren Namen in den siebziger Jahren. Eine Fußballmannschaft rannte stets agil wie die bekannten jungen Pferde über den grünen Rasen. Für mich stellt der Verein auch einige meiner persönlichen Lebenseinstellungen dar: Bodenständig bleiben, Ziele haben und aus Niederlagen lernen. Daher viel Spaß bei der Reise durch meine leidenschaftliche Borussia-Vergangenheit.

DER ANFANG
Begonnen hat meine Leidenschaft ungefähr im Jahr 1978, wo die Borussia zum vierten Mal nacheinander hätte Meister werden können. Am Ende blieben dann zwar "nur" die Vize-Meisterschaft und das historische 12:0 gegen Borussia Dortmund am 34. Spieltag in Erinnerung. Die Art und Weise, wie die "Fohlen" Fußball spielen, hat mich zum eingefleischten Borussia-Fan werden lassen. 1979 gewannen die Borussen gegen Roter Stern Belgrad den UEFA-Cup. Zu der Zeit gab es noch ein Hin- und Rückspiel, zwei aufregende und spannende Abende waren garantiert.

DIE 80ER JAHRE
Ein Jahr später erlebte ich vor dem Fernseher dann die erste und nachhaltige Niederlage: Nach dem die Borussia das Hinspiel im Finale des UEFA-Cups gegen Eintracht Frankfurt zu Hause mit 3:2 gewonnen hatte, reichte der Eintracht im Rückspiel ein 1:0 zum Sieg des Pokals. Torschütze war der in der 77. Minute eingewechselte Fred Schaub. Dieses Spiele habe ich bis heute nicht vergessen, bis heute gehört der dieser Frankfurter Club daher nicht zu meinem Lieblingsverein. In der Saison 1983/84 wäre die Borussia dann fast noch Deutscher Meister geworden! Am Ende lagen punktgleich drei Mannschaften auf den ersten Plätzen: 1. VfB Stuttgart, 2. Hamburger SV und auf Platz 3 dann die Borussia, mit +33 Toren und mit dem leider "schlechtesten" Torverhältnis. Danach konnte der Verein über Jahre hinweg nicht mehr mit den Vereinen ganz oben mithalten. Diese Tendenz kam schleichend und am Anfang auch unbemerkt.

In der gleichen Saison standen wir im DFB-Pokalendspiel gegen den FC Bayern. Im Elfmeterschießen verschoss Lothar Matthäus den entscheidenden Elfmeter. Nach dem Spiel verkündete der Spieler dann seinen Wechsel zu dem Pokalsieger aus München. Lothar Matthäus beteuert bis heute, dass es keine Absicht war, aber irgendwie bleibt doch ein bitterer Beigeschmack.

In den kommenden Jahren war die Borussia international relativ erfolgreich, in der Bundesliga dümpelte der Verein allerdings mehr ober weniger unaufgeregt im oberen Mittelfeld der Tabelle herum. In der Spielzeit 1985/86 gab es dann im UEFA-Cup eine weitere und bittere Niederlage. Im Dezember 1985 gewann die Borussia 5:1 auf dem heimischen Bökelberg, in Madrid verschenkte man im Rückspiel den Vorsprung aus dem Hinspiel durch ein 0:4 im Estadio Santiago Bernabéu . Aus der Traum!

DER LANGSAME ABSTIEG
In der Saison 1989/90 spielten wir dann zum ersten Mal gegen den Abstieg, auch die nächsten 1.Bundesliga-Jahre waren nur Mittelmaß. Im Halbfinale des DFB-Pokals 1992 hielt der damalige Keeper Uwe Kamps 4(!) Elfmeter, aber das Endspiel verloren wir dann gegen den Zweit-Ligisten Hannover 96 im Elfmeterschießen. 1995 dann der erste Pokal seit 1979: Im Endspiel des DFB-Pokals gewann die Borussia gegen den VfL Wolfsburg. Den größten Anteil am Erfolg konnte sicherlich Stefan Effenberg für sich behaupten. Nach dem man in der Saison 1998/99 am ersten Spieltag zum ersten Mal seit 13 Jahren auf dem ersten Platz stand, stieg der Verein in dieser Saison abgeschlagen auf dem 18. Platz zum ersten Mal aus der 1. Bundesliga ab. Die 2. Liga brauchten die Fohlen dann zum Neuanfang, auch wenn es zwei Jahre bis zum Wiederaufstieg dauerte. 

Ab dem Jahr 2004 spielten die Borussen dann im neuen Stadion im Mönchengladbacher Nordpark. Dadurch kamen zwar mehr Fans ins Stadion, allerdings stellte sich sportlich zunächst keine bessere Zeit ein. Wieder stieg man zurecht am Ende der Saison 2006/07 ab. Auch wenn nach nur einem Jahr der Sprung in die 1. Liga wieder klappte, verblassten die ruhmreichen Jahre, denn eigentlich spielte man immer wieder um den Abstieg. Einstellige Tabellenplätze fand ich genauso unwahrscheinlich wie der Gedanke in meiner Kindheit, dass es eine Wiedervereinigung in Deutschland geben könnte. 

FAST WIE IN ALTEN ZEITEN
Der Wendepunkt für die Borussia war dann die Saison 2010/11. Nachdem wir am 17. Spieltag mit 9 Punkten abgeschlagen auf dem 18. Platz standen, hatten wir Gladbach-Fans eigentlich schon mit dem nächsten Abstieg gerechnet. Im Februar 2011 wurde Michael Frontzeck als Trainer entlassen und Lucien Favre übernahm das Zepter. Der Trainer wäre auch mit in die 2. Liga gegangen, um einen Neuaufbau der Mannschaft anzugehen. Aber am 31. Spieltag verließen die Borussen zum ersten Mal den letzten Tabellenplatz in der Saison und schafften tatsächlich noch den rettenden Relegationsplatz. In den beiden Spielen gegen den VfL Bochum setzte sich die Borussia durch und durfte in der 1. Liga bleiben. Keiner konnte zu dem Zeitpunkt ahnen, dass damit eine neue erfolgreiche Ära für den Verein eingeläutet wurde. Aus der Schießbude der Liga gehörte die Mannschaft dann zu denen mit den wenigsten Gegentoren.

Als die Borussia am 1. Spieltag der Saison 2011/12 den früheren Rivalen aus München mit 1:0 in der Allianz-Arena besiegte, konnte wohl keiner glauben, das der Verein nicht nur am 3. Spieltag Tabellenführer der Bundesliga war, sondern bis zum 22. Spieltag mit dem späteren Meister Borussia Dortmund auch mithalten konnte. Am Ende reichte es zur Qualifikation für die Champions League. Nach der Saison mussten wir einige Leistungsträger wie Marco Reus, Roman Neustädter und Dante abgeben. Gegen Dynamo Kiew konnte wir uns zwar nicht für die CL qualifizieren, allerdings etablierte sich die Borussia auch in den nächsten Jahren in den Top Ten der Bundesliga.

ERFOLGREICHE JAHRE UND KLEINE RÜCKSCHLÄGE
Bemerkenswert verlief die Saison 2015/16: Nachdem die Borussia am 5. Spieltag mit 0 Punkten und nur zwei(!) geschossenen Toren auf dem letzten Tabellenplatz stand, trat plötzlich Lucien Favre zurück. Unter dem neuen Trainer Andre Schubert standen wir nach einem 3:1 Sieg gegen den FC Bayern am 15. Spieltag auf Platz 3. DAS hatte vorher noch kein anderer Fußballclub geschafft! In der Saison 2016/2017 lief es dann nicht mehr so rund, kurz vor Weihnachten musste Andre Schubert dann auch schon wieder gehen. Die Borussia war zu dem Zeitpunkt mit nur 4 Siegen nur auf Platz 14 in der Tabelle. Das beste Spiel in der Zeit war allerdings, trotz der 1:2-Niederlage im Borussia-Park, die Begegnungen gegen den großen FC Barcelona. 

In der Saison 2018/19 hat die Borussia eine grandiose Hinrunde hingelegt. Mit 33 Punkten stehen wir am 17. Spieltag auf Platz 3. Der 3:0 Auswärtssieg gegen Bayern München am 7. Spieltag in der Allianz-Arena ist auf jeden Fall einer der Höhepunkte der laufenden Saison. Nach starkem Beginn der Rückrunde brechen die Leistungen der Mannschaft plötzlich ziemlich ein. Am Ende wird mit dem 5. Platz dennoch das internationale Geschäft erreicht.

ES IST CORONA-ZEIT
Dezember 2019: Das Ergebnis in der Bundesliga nach 17 Spieltagen und Platz 2  ist hervorragend. Marco Rose hat die Mannschaft erfolgreich neu- und umgebaut, es macht einfach Spaß der Borussia zuzuschauen. Im DFB-Pokal hatten wir mit dem BVB ein schweres Los, in der Euro-League lagen Glück und Pech sehr dicht beieinander. Am letzten Spieltag der ersten Corona-Saison haben wir dann mit einem Sieg gegen Hertha BSC doch noch die Champions-League Teilnahme geschafft!

Die Saison 2020/21 fand Corona-bedingt meist ohne Zuschauer statt und auch der Beginn einer Achterfahrt der Borussia. Durch verdiente Siege gegen Bayern München und dem BVB konnte die durchwachsende Hinrunde mit 13 Punkten aus 5 Spielen wieder etwas an Boden gut gemacht werden. Im Februar 2021 passierte dann das, was die Presse schon länger als Gerücht streute: Marco Rose verlässt zum Saisonende unsere Borussia Richtung BVB. Nach daraufhin 7 Niederlagen in Folge hatten wir dann keinen Kontakt mehr zur Spitzengruppe. Aber wir haben es immerhin bis in das Achtelfinale der Champions League geschafft! Gegen Manchester City chancenlos, trotzdem ein super Erfolg für die Borussia! Denn in der Gruppenphase haben wir uns gegen Real Madrid und Inter Mailand für die erste K.o.-Runde qualifizieren können.

HÜTTER MISSVERSTÄNDNIS UND EBERL-BEBEN
Mit dem neuen Trainer Adi Hütter war das Saisonziel 2021/22 klar: Wir wollen zukünftig wieder international spielen! Gegen unseren mittlerweile Lieblings-Gegner FC Bayern gab es am 1. Spieltag ein beachtliches 1:1 und das historische 5:0 im DFB-Pokal. In der Rückrunde besiegten wir im Borussia-Park mit viel Glück den Münchener Verein mit 2:1. Auch der BVB wurde endlich mal wieder besiegt. Am letzten Spieltag der Hinrunde stand dann trotzdem nur ein enttäuschender Platz 14 mit mageren 19 Punkten. Nach der 10. Niederlage am 20. Spieltag und dem blamablen Ausscheiden im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten Hannover 96, rückten die Abstiegsplätze nach vielen Jahren auf einmal gefährlich nah. Dann DER Paukenschlag Ende Januar 2022: Max Eberl tritt nach 13 Jahren plötzlich von seinem Managerposten zurück. In der Rückrunden-Tabelle landete die Borussia dann auf dem 7. Platz, so dass die Saison am Ende mit Platz 10 abgeschlossen wurde. Nach einem 5:1 am letzten Spieltag gegen Hoffenheim gab Adi Hütter bekannt, dass er sich gemeinsam mit der Borussia-Führung auf eine Auflösung seines Vertrags geeinigt hat. Am Ende wahrscheinlich die richtige Entscheidung für alle Beteiligten.

UMBRUCH
Zunächst wurde Lucien Favre als neuer Trainer für die Saison 2022/23 gehandelt. Dann ging es auf einmal ganz schnell: Daniel Farke , der über 4 Jahre in der Premier League mit Norwich City für Furore sorgte, wurde engagiert. Die Borussia hat einen Trainer gesucht, der die Philosophie des Vereins lebt und das der Mannschaft dann auch vermitteln kann. Bis zur WM im November 2022 in Katar überwiegten viele schöne Momente, trotz einer anhaltenden Verletzungsmisere. Am 15. Spieltag stand die Borussia im  Mittelfeld mit 22 Punkten auf Platz 8. Weitere Neuigkeiten: Max Eberl ist seit 2023 "Geschäftsführer Sport" bei RB Leipzig. Nachdem sich Manuel Neuer beim Skifahren verletzt hatte, holt sich der FC Bayern den langjährigen Torhüter Yann Sommer als Ersatz. Sein Nachfolger bei der Borussia wird der Schweizer Jonas Omlin. [Update: In der nächsten Saison spielt Yann Sommer bei Inter Mailand.] Am Ende der - zumindest gefühlt - nicht erfolgreichen Saison mit Platz 10 am 34. Spieltag, redet man bei der Borussia wieder mal von einem Umbruch. Für die Saison 2023/24 wird der neue Trainer Gerardo Seoane versuchen, ohne die sonst gesetzten Spieler Lars Stindl (Wechsel zum Karlsruher SC) und Jonas Hofmann (nach Bayer Leverkusen), wieder in die Erfolgsspur zu kommen.